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Unser Familienleben mit „Herzens-Kindern“

14.01.2020 - 12:26 Uhr | Baby, Kleinkind, Schulkind, Familie

Wenn man sich dazu entscheidet, ein Kind aufzunehmen und es in seine Familie zu lassen, damit es dort in Geborgenheit und Liebe aufwachsen kann, so ist das eine Herzens-Entscheidung. Daher gefällt mir der Begriff der Herzenskinder für Kinder, die dauerhaft woanders untergebracht werden sehr gut.

Wir sind keine Pflegefamilie im klassischen Sinne. Unsere Form des Zusammenlebens wird korrekt als Erziehungsstelle bezeichnet. Das bedeutet ganz grob, dass mindestens ein Elternteil in der Familie über eine pädagogische Grundausbildung verfügt, die es ihr erlaubt, besondere Kinder und deren Bedürfnisse gut im Blick zu haben. In unserem Fall üben wir diese „Arbeit“ als Psychologen aus, was nur in bestimmten Bundesländern so möglich ist.

Ganz praktisch leben wir als Familie mit mittlerweile vier Kindern, zwei Katzen und einem Hund. Unsere beiden selbst geborenen Kinder bilden dabei die Mitte. Unser großer Herzens-Sohn kam im Alter von 9 Monaten zu uns, als ich gerade schwanger war, ebenfalls mit einem Sohn. Die beiden waren von Anfang an wie Zwillinge, was sich nun nach mittlerweile fünf Jahren nicht verändert hat. Sie profitieren sehr vom anderen und ergänzen sich gut. So unterschiedlich sie auch sind, so gut passen sie auch zusammen.

Als unsere Tochter zur Welt kam, gab es zu keiner Zeit Eifersucht oder Geschwisterrivalitäten. Sie haben die Kleine mit Neugier erwartet und sie darf auch heute immer und überall dabei sein. Unserem Eindruck nach gelang dieser Übergang vor allem so gut, da sowohl mein Mann, als auch ich als Selbstständige von zu Hause arbeiten. Wir sind beide im Alltag sehr präsent und teilen uns unsere Arbeitszeiten frei ein. Als Psychologen haben wir uns vor allem auf das Thema der frühen Bindung und Geburtstrauma bei Mutter und Kind spezialisiert.

Da der Bindungsaufbau zu unserem Großen intensiver gestaltet werden musste, um nachzuholen, was wir gemeinsam verpasst haben, kam er z.B. auch erst mit vier Jahren in den Kindergarten. Er sollte erst stabil in unserer Familie angekommen sein. Diese Entscheidung erwies sich im Nachhinein als sehr wertvoll. Was wir in diesen Jahren der Bindungsarbeit gelernt haben ist, dass jedes Kind seine ganz individuelle Entwicklungsgeschwindigkeit hat. Es nützt gar nichts über diese hinweg zu gehen, vor allem nicht für fremde Institutionen.

Seit nun erst ein paar Monaten haben wir unsere „Herzens-Tochter“ aufgenommen, die das jüngste Mitglied unserer Familie ist. Auch hier haben wir unsere drei „Großen“ wieder sehr in den Entscheidungs- und Anbahnungsprozess mit einbezogen. Sie nahmen die Kleine selbstverständlich in unsere Familie mit auf und akzeptieren sie als ihre kleine Schwester.

Die „Elternarbeit“, die in der Regel Teil der Arbeit und bei vielen Pflegefamilien zu leisten ist, fällt bislang bei uns weg. Unser Großer hat keinen Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie, außer zu einer älteren Schwester, die in einer Pflegefamilie lebt. Er weiß, dass er eine „Bauch-Mama“ hat, die ihn geboren und dann die für ihn beste Entscheidung in ihrer damaligen Situation getroffen hat. Wenn er Fragen hat, kann er sich jederzeit an uns wenden, was natürlich vor allem während der Schwangerschaft mit meiner Tochter ein großes Thema war. Hier kamen Fragen auf, wer war in Mamas Bauch, wer hat an Mamas Brust getrunken usw. Wir sind mit dem Thema immer offen umgegangen, da man Kindern ohnehin nichts vorschwindeln kann.

Außerdem haben beide Kinder einen gesetzlichen Vormund, der abschließend über alle Belange der Kinder entscheiden muss. Damit hier die Zusammenarbeit zu Gunsten des Kindes gelingt, finden regelmäßig Hilfeplangespräche statt, in denen sich alle Beteiligten treffen und über die Entwicklung und zukünftige Entscheidung das Kind betreffend sprechen. Da wir mit den Kindern im Alltag leben, gelten wir als die Experten für die Bedürfnisse der Kinder. Wir pflegen einen ressourcenorientierten und bedürfnisorientierten Umgang mit all unseren Kindern.

Das Wichtigste ist, dass sich jedes Kind angenommen und akzeptiert fühlt. Für alle, die Angst haben, ein Kind weniger lieben zu können als ein anderes, möchte ich folgenden Gedanken mit auf den Weg geben: Manchmal gibt es eben die Liebe auf den ersten Blick, die wie ein Blitz einschlägt. Und andere Male wächst die Liebe wie ein Pflänzchen, wird jedoch mit viel Zeit und Zuwendung eben so groß. Liebe ist unendlich teilbar und potenziert sich mit jedem Kind, was jede Mutter weiß, die mehr als ein Kind hat. Und trotzdem dürfen Beziehungen auch ganz unterschiedlich sein. Ganz ohne Wertung. Es muss nicht besser oder schlechter sein, sondern einfach anders. Und so leben wir als „Herzens-Eltern“, einfach anders.

 

Über die Autorin
Anabel Galster ist Psychologin (MSc.) und Psychotherapeutin (HPG). Sie und ihr Mann Swen leiten gemeinsam das Unternehmen nestkinder® zur Familienbegleitung mit den Themen Bindung von Anfang an und Geburtstrauma. Unter anderem begleiten sie Pflege- und Adoptionseltern auf ihrem Weg zu einer sicheren Bindung. (Herzens-)Familien, schwangere Paare und frischgebackene Eltern nehmen die vielfältigen Angebote gerne online oder in der Praxis in Niedernhausen wahr. Viele kostenlose Informationen sind in ihrem Blog oder dem Podcast „Bindung von Anfang an“ erhältlich.
Tel. 06127/70 699 71
https://nestkinder.de 
https://herzensfamilien.com
https://geburtspsychologie.de 

Podcast: https://Bindung-von-Anfang-an.de 

Foto: Anabel Galster

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